Der sagenhafte Buffett-Erfolg
ist allein am Zuwachs seines eigenen Fonds ablesbar, der das Lebenswerk des Star-Investors ist. Dieser ist aktuell der drittreichste Mensch der Welt (Vermögen rund 66,9 Milliarden US-Dollar), er wäre sogar der reichste, wenn er nicht so wohltätig auftreten würde. Im letzten Jahrzehnt spendete Buffett etwa die Hälfte seines Vermögens für Wohltätigkeitsorganisationen. Ein solcher Erfolg sucht Nachahmer und ruft Theoretiker auf den Plan, die analysieren möchten, was Buffett eigentlich so gigantisch richtig macht. Unter den Wissenschaftlern herrscht die nüchterne Betrachtung vor, und so gibt es nicht wenige Kapitalmarkttheoretiker, die Buffetts Anlageergebnisse als schieren Zufall bezeichnen. Der Investor sei einfach der Beste von vielen Leuten, die ähnliche Strategien angewendet, aber wenig oder gar keinen Erfolg hatten. Hatte Warren Buffett wirklich “Glück” bei der Auswahl seiner Aktien, oder beruft er sich auf ein theoretisches Fundament?
Die Buffett-Denkweise
Große und erfolgreiche Investoren sind durchaus auch Theoretiker, sie publizieren darüber sogar wie etwa der philosophisch bei Karl Popper vorgebildete George Soros (“Alchemie der Finanzen”). Warren Buffett ist einer der konsequentesten Vertreter der sogenannten Value-Investing-Strategie, sein akademisches Rüstzeug stammt von seinem Lehrer Benjamin Graham, der seine Theorie schon 1949 in seinem Hauptwerk „The Intelligent Investor“ publiziert hatte. Buffett hält das für eine Bibel des Investierens, moderne Trader sollten wenigstens die Denkansätze kennen. Value Investing ist nämlich das glatte Gegenteil von Daytrading, Chartanalyse oder höchst spekulativen Strategien wie etwa Momentum-Trading. Das bedeutet nicht, dass Investoren wie Buffett Charts einfach links liegenlassen. Dennoch verstehen sie eine Aktie prinzipiell als das, was sie eigentlich ist: Teil eines Unternehmens. Daher bewerten sie immer das Unternehmen als Ganzes. Zur abgeleiteten Philosophie gehört auch, die Effizienz von Märkten anzuzweifeln. Buffett und Graham glauben nicht, dass wesentliche Entwicklungen und Einflüsse in Aktienkursen fair eingepreist sind. Vielmehr ist nach ihrer Auffassung „Mister Market“ ein sehr launischer Mensch, der oft zu niedrige oder zu hohe, jedenfalls selten wirklich faire Kurse aufruft. Daher gehört zum Value Investing, die Aktie eines werthaltigen Unternehmens (so die Deutung der Begrifflichkeit) nur dann zu kaufen, wenn genügend Sicherheitsmarge vorhanden ist. Übersetzt für den Kleinanleger heißt das: Investoren wie Buffett kaufen unterbewertete Aktien von an sich ertragsstarken, gut geführten Unternehmen. Dahinter steckt sehr viel Fundamentalanalyse.
Die Markteffizienzhypothese
Schon 1970 stellte der Theoretiker Eugene Fama die volkswirtschaftliche These auf, dass Finanzmärkte im Grunde effizient sind, weil alle vorhandenen Informationen in die Kurse einfließen. Es gibt Belege für diese Theorie. Märkte antizipieren oft bevorstehende Ereignisse. Vor dem Brexit-Referendum sackte einige Monate zuvor der Kurs des britischen Pfunds ab, in den letzten Tagen und Wochen stieg er wieder: Der Finanzmarkt glaubte nicht mehr an einen Brexit. Nach dem Referendum für Votum für einen Brexit stürzte der Kurs ins Bodenlose: Der Kapitalmarkt “hatte sich geirrt”. Das belegt aber für Verfechter der Markteffizienzhypothese – unter ihnen die meisten reinen Charttechniker und Daytrader – keinesfalls, dass der Markt nicht effizient ist. Er preist durchaus Entwicklungen früher ein, als Finanzjournalisten eine glaubhafte These entwerfen können. Er bildet die Gruppenintelligenz der Anleger ab. Nur irren sich bekanntermaßen auch Gruppen, aber größtenteils liegen sie richtig. Daher gelingt es auch niemandem, “den Markt zu schlagen”, so die Markteffizienzhypothese. Weder die technische noch die fundamentale Analyse können ihm dabei helfen. Diese Auffassung verkennt wohl Erfolge wie die von Warren Buffett, sie ist dennoch eine hoch anerkannte akademische Lehrmeinung. Immerhin erhielt ihr Erfinder Eugene Fama im Jahr 2013 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Das ist umso erstaunlicher, als dass es schon seit den ersten Publikationen zu dieser Theorie, nämlich seit den späten 1970ern, Zweifel an ihr gibt. Investoren wie Warren Buffett haben nie daran geglaubt.
Wie investiert Warren Buffett in der Praxis?
Buffett kaufte in seinen Anfangsjahren Anteile an kriselnden Unternehmen, die außergewöhnlich billig waren. Damit konnte er schon begrenzte Erfolge erzielen, denn Aktien solcher Unternehmen sind manchmal “ausgebombt”, doch die Firma erholt sich wieder, damit steigt auch ihr Aktienkurs wieder deutlich an. Später fokussierte Buffett auf echte Qualitätsaktien mit großer Zukunftsperspektive, etwa auf heutige Weltmarken wie Coca-Cola, Mars oder IBM. Er kaufte deren Anteile, als sich noch niemand die große Zukunft dieser Unternehmen vorstellen konnte. Solche Beispiele gibt es immer wieder, in den 2000er Jahren heißen sie Apple und Facebook. Der Erfolg von Apple ist inzwischen evident, der von Facebook hat gerade begonnen. Es gehört nun Fantasie zum Investieren, die wiederum auf der fundamentalen Überlegung basiert: Wie wichtig ist ein soziales Netzwerk? Hat es eine Zukunft auch über Jahrzehnte? Ist die Aktie vielleicht schon überbewertet? Auf solche Überlegungen gründet sich Warren Buffetts Erfolg.